Gestärkt und mit neuen Konzepten in die Zukunft – Interview mit Wolfgang Heinisch (COO), Egin-Heinisch GmbH & Co. KG alias DER SPINDELDOCTOR

Das alles beherrschende Thema dieser Tage ist natürlich Corona. Herr Heinisch, wie haben Sie die Krankheit zu Beginn wahrgenommen und wie hat sich diese Wahrnehmung verändert?
Wahrscheinlich ging es mir seit Mitte Februar und Anfang März so wie den meisten anderen. Corona war mit viel Unsicherheit belegt und kaum jemand wusste genau, was da auf uns zukommt. Ich habe bereits früh einen großen Wissensdurst entwickelt – nicht zuletzt, weil ich nach den schweren Verläufen in Italien und Österreich sicher war, dass Corona auch auf unser Leben und unsere unternehmerische Tätigkeit Einfluss nehmen würde.
 
Und wie ist Ihre Wahrnehmung heute?
Wenn ich ehrlich bin, wird Corona aus meiner Sicht ein klein wenig zu häufig als Vorwand oder gar Entschuldigung für falsche unternehmerische Entscheidungen herangezogen. Arbeitsplätze werden abgebaut – angeblich wegen Corona und jeder Misserfolg hat ohnehin diesen Stempel. Wenn ich dann lese „Wegen Corona in die Insolvenz“,  wegen Corona 800 Mitarbeiter entlassen, Wegen Corona das Werk geschlossen, dann empfinde ich persönlich Wut gegenüber den handelnden Personen.
 
Wie meinen Sie das? Was macht Sie so wütend?
Mich ärgert, dass Corona zum Bereinigen von Bilanzen genutzt wird und nicht allerorten der Versuch unternommen wurde, solidarisch und engagiert aus der Krise zu gelangen. Wohlgemerkt: das lässt sich aber keineswegs verallgemeinern und ich weiß sehr wohl, dass manche Branchen tatsächlich erhebliche Schwierigkeiten hatten und haben.
 
Und die gesellschaftliche Seite? Haben Sie eine Veränderung wahrgenommen?
Corona hat unser wirtschaftliches und soziales Leben entschleunigt und uns Zeit zum Nachdenken gegeben. Mir persönlich hat das sehr gut getan und ich habe sehr viel dazugelernt. Andererseits wirkte und wirkt Corona auch ein wenig wie ein Brennglas und hat viel „Schmutz“ nach oben gespült. Viele Menschen handelten enorm egoistisch und es hat sich zudem gezeigt, dass unser Wirtschaftssystem doch nicht so stabil ist und unsere Demokratie durchaus Schwächen hat.

Wirklich ein so negatives Bild?
Natürlich darf man das nicht zu schwarz sehen, denn sowohl im Alltag als auch in der Politik existieren eine Reihe von Menschen, denen das Wohl der Allgemeinheit am Herzen liegt. Ich würde mir wünschen, dass wir als Gemeinschaft gestärkt aus der Krise hervorgehen und näher zusammenfinden.
 
Was hat Corona in Ihrem Unternehmen bewirkt? Waren Sie betroffen?
Am Anfang stand ein enormer Widerspruch, den es aufzulösen galt. Wir mussten in „Worst case“- Szenarien denken aber hierfür Mut machen und positiv motivieren. Glücklicherweise haben wir sehr früh reagiert und schon Anfang März die ersten Corona-Maßnahmen eingeführt.
 
Welche Maßnahmen waren das?
Zunächst einmal haben wir die Abstandsregel eingeführt und einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit zum „Home Office“ gegeben. Dann haben wir alle unsere sozialen Kontakte früh eingeschränkt.
 
Und wie fiel die Reaktion aus?
Nun ja. Vor allem als wir 60 Hygienespender installierten und Vitamin C Tabletten verteilt haben, dachten manche Kolleginnen und Kollegen, das wir komplett spinnen. Wir haben allerdings von Anfang an offen kommuniziert – sowohl intern als auch mit unseren Kunden. Wir kommen jeden Tag mindestens 20 Minuten mit allen Abteilungen in Kontakt und nutzen hierfür Skype oder Telefonkonferenzen. Unsere Meetings sind somit geblieben.

Hatten Sie mit Krankenständen zu kämpfen?
Im Gegenteil. In den letzten zwei Monaten ist deren Zahl um 30 Prozent gesunken. Das mag Zufall sein, doch das glaube ich nicht.
 
Neben den genannten Maßnahmen: war Corona auch Auslöser für weiterreichende unternehmerische Entscheidungen?
Vor allem das. Wir haben unsere langfristige Planung angepasst und die Zeit für neue Konzepte genutzt. Vor allem die Sparte „Elektromaschinenbau“ wird zunehmend ausgebaut. Bis zum Ende des Jahres werden wir eine neue Abteilung für die Instandsetzung von Elektromotoren aus dem Boden gestampft haben und damit natürlich auch die Fahrzeuge von Tesla und anderen Unternehmen reparieren können. Finanziell sind wir auch deshalb gut aufgestellt, weil unsere Hausbank, die Sparkasse Kassel, vielfach proaktiv mit uns zusammenarbeitet.
 
Gab es auch kurzfristige Entscheidungen für Ihre Kundinnen und Kunden?
Natürlich haben wir auch schnelle Entscheidungen getroffen. Wir haben unsere Gewährleistung auf 36 Monate erweitert und bieten unserer Kundschaft ein Zahlungsziel von 90 Tagen. Corona hat auf dieser Ebene zu einer noch engeren Partnerschaft mit den Unternehmen geführt, die wir auch auf dieser Ebene umfassend beraten haben.
 
Wirklich alles positiv und keine Kurzarbeit?
Doch, die Kurzarbeit hat auch uns getroffen. Im April standen bei uns die Montageplätze still. Die Hallen waren leer und die Mitarbeiter zu Hause. Jetzt im Mai hat sich die Situation für uns etwas verbessert. Wir fahren langsam und in Teilbereichen wieder hoch. Wir denken allerdings, dass noch bis Ende August partiell Kurzarbeit erforderlich sein wird und wir erst ab September wieder mit Vollgas fahren.

Was bedeutet Kurzarbeit für die Belegschaft?
Meine Frau und ich haben im Rahmen unserer unternehmerischen Verantwortung das Kurzarbeitergeld für unsere Mitarbeiter auf 100 Prozent aufgestockt. In den letzten 17 Jahren sind wir durch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewachsen und hatten Erfolg – jetzt müssen wir auch hinter ihnen stehen und sicherstellen, dass alle Raten und Verpflichtungen bedient werden können.
 
Wagen Sie einen Blick in die Glaskugel: Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in zwei Monaten, wo in zwei Jahren?
Ich gehe fest davon aus, dass wir diese schwere Zeit gut überstehen und mit einem gestärkten „Immunsystem“ weiterhin erfolgreich sind. Wir werden noch in diesem Jahr in das neue Geschäftsfeld „Elektro-Antriebstechnik“ investieren und noch mindestens sechs neue Auszubildende einstellen.
Des Weiteren arbeiten wir an einem Fertigungskonzept, das uns erlaubt, auf den Bedarf unserer Kunden mit der Fertigung von Ersatzteilen und Präzisionsbaugruppen  innerhalb von 48  Stunden zu reagieren.
Die Einführung des Spindeltracker „Track your Spindel“, die Digitalisierung unserer Abläufe und die Einführung unseres Onlineshops unter der Adresse www.spindelshop24.de  sind Aktivitäten, die wir bereits vor zwei Jahren begonnen haben und auch in diesem Jahr konsequent weiter führen.
Besonders freue ich mich darauf, gemeinsam mit der kompletten Belegschaft vielleicht noch in diesem Sommer den Grill „anzuschmeißen“ und mit einem kühlen Bier das Landwürstchen des heimischen Metzgers zu genießen. Ich freue mich auf die Zukunft ohne Corona.

Herzlichen Dank